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Automatisierte und zerstörungsfreie Bauteilprüfung zur Detektion von unsichtbaren Fehlstellen

Visuell, also mit dem menschlichen Auge aber auch mit Kameras, nicht sichtbare Fehlstellen in Produkten unterschiedlichster Kunststoffe stellen die Qualitätskontrolle vor Herausforderungen. Das Vorhandensein solcher Defekte zeigt sich oftmals erst in einem Versagen der zeit- und kostenaufwändig hergestellten Produkte. Zerstörungsfreie und teilweise berührungslose Prüfmethoden, die heute in einer weiten Vielfalt verfügbar sind, können hier Abhilfe schaffen (vgl. Abbildung 1). Dabei existieren weit mehr Verfahren als die Ultraschall- und Röntgentechnik, die häufig aus der Anwendung am Menschen im Rahmen medizinischer Untersuchungen bekannt sind.

Abbildung 1: Übersicht über das elektromagnetische und mechanische Frequenzspektrum. Rot markiert sind die Bereiche, die in Prüftechnik überführt wurden und am Markt als Systeme eingesetzt werden.

Der Weg von der Verfahrensauswahl bis zur Inbetriebnahme vor Ort

Allen Verfahren ist gemein, dass die reine messtechnische Anwendung nicht unmittelbar zu einem Mehrwert für den Anwender führt. Die Verfahren ermöglichen es lediglich, physikalische Messgrößen wie z. B. die Dichte bei Röntgen- oder Terahertz-Verfahren oder die Temperaturleitfähigkeit bei Anwendung von thermografischen Systemen zu erfassen. Anwender interessieren sich jedoch i. d. R. für abgeleitete und viel pragmatischere Größen. Dazu zählt etwa, ob eine Fehlstelle im Inneren vorhanden ist, wie groß diese ist oder wie dick z. B. eine aufgebrachte Lackschicht ist.

Damit steht neben der reinen Auswahl des Prüfverfahrens v. a. die Signal- und Datenverarbeitung im Vordergrund. Diese erfordert jedoch genaue Kenntnisse über die physikalischen Wirkprinzipien der Prüfverfahren und gleichzeitig ein tiefes Verständnis für die Anwendung, d. h. des ganz konkreten und individuellen Prozesses der Kunststoffverarbeitung bzw. Bauteilherstellung.

Das notwendige anwendungsspezifische Wissen ist oftmals bei klassischen Messtechnikherstellern aufgrund ihrer spezifischen Ausrichtung am Markt nicht verfügbar. Hier setzt das Kunststoff-Zentrum SKZ an, das ausgehend von langjährigen Entwicklungsaktivitäten entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Kunststoffen mittlerweile als Anbieter von individuellen Prüfanlagen etabliert ist. Das SKZ verfolgt dabei einen ganzheitlichen und eng mit dem jeweiligen Kunden abgestimmten Ansatz.

  1. Zunächst werden Machbarkeitsstudien an vom Kunden zur Verfügung gestellten Bauteile durchgeführt. Auf diese Weise wird ersichtlich, welches Prüfverfahren rein physikalisch bedingt überhaupt für die Lösung der vorliegenden Fragestellung geeignet ist. Gleichzeitig werden technische und wirtschaftliche Randbedingungen wie z. B. die Zugänglichkeit zum Produkt im laufenden Prozess oder zu erfüllende Taktzeiten berücksichtigt.
  2. Ist ein geeignetes Prüfverfahren identifiziert, so erfolgt die Auswahl des konkret einzusetzenden Prüfsystems. Hier variiert etwa die Preisspanne von z. B. Thermografiekameras von einigen Hundert bis wenigen Huntertausend Euro, was einen maßgeblichen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung hat.
  3. Nach Auswahl der hardwareseitigen Komponenten erfolgt die Umsetzung einer geeigneten Datenverarbeitung, die das Herzstück der Prüfanlage darstellt. Dabei werden die für den Anwender oftmals nicht relevanten Rohdaten auf pragmatische Qualitätsmerkmale reduziert, die im besten Fall mit einer Ampelanzeige – rot: Schlechtteil, grün: Gutteil – visualisiert werden (vgl. Abbildung 2).
  4. Abschließend erfolgt die Integration des gesamten Prüfsystems beim Kunden vor Ort. Da die Prüfsysteme vom SKZ – sofern vom Kunden gewünscht – benutzerunabhängig und vollautomatisiert arbeiten und ohne Vorwissen des Benutzers auskommen sollen, erfolgt abschließend eine umfassende Inbetriebnahme und Schulung der Nutzer vor Ort.

Abbildung 2: Schematische Darstellung des Wegs von der Auswahl der Prüfmethode bis hin zur Integration.

Je nach Anwendungsfall, Geometrie, Material, Fehlstellenart und der Notwendigkeit einer Prozessintegration kommen unter Berücksichtigung technischer und wirtschaftlicher Randbedingungen unterschiedliche Prüfverfahren in Betracht. Grundsätzlich lassen sich diese in direkt bildgebende, d. h. „fotografisch-arbeitende“, und in punktuell messende, d. h. Punkt für Punkt das Prüfobjekt abrasternde und so nur indirekt bildgebende, einteilen.

Erstere können in der Regel höhere Prüfgeschwindigkeiten und Durchsätze erzielen, letztere bieten oftmals eine höhere räumliche Auflösung sowie eine größere Tiefenreichweite, die notwendig ist, wenn die Fehlstelle tief im Inneren des Bauteils vorliegt. Die Automatisierbarkeit mittels Verfahrachsen oder Robotertechnik ist beim derzeitigen Stand der Technik für beide Arten problemlos realisierbar, sodass beide Verfahrensvarianten industriell eingesetzt werden.

Folgend werden zusammenfassend die am meisten verbreitetsten Prüfverfahren vorgestellt, damit mögliche Interessenten einen Überblick erhalten.

Überblick der meist verbreiteten Prüfverfahren

Thermografie

Bei der Thermografie wird die entweder aktiv durch externe Anregungsquellen wie Halogenstrahler oder durch den Produktionsprozess an sich passiv erwärmte Oberfläche des zu prüfenden Bauteils mit einer Infrarotkamera aufgenommen. Die messtechnisch erfasste Intensität der thermischen Abstrahlung dient dabei als Maß für die Oberflächentemperatur des Objekts. Die Oberflächentemperatur ist dabei abhängig von der inneren Struktur, d. h. explizit auch dem Vorhandensein von Fehlstellen.

Die Thermografie eignet sich besonders zur berührungslosen Untersuchung von homogenen großflächigen und dünnwandigen Bauteilen einfacher Geometrie wie Platten und Profilen. Der Einsatz kann sowohl in Transmissions- als auch v. a. in Reflexionsanordnung erfolgen, womit ein einseitiger Zugang der Prüftechnik zum Bauteil ausreichend ist. Bei den meisten üblichen Materialien wie etwa Kunststoffen ist die Anwendung i. d. R. auf geringe Wandstärken im Millimeterbereich beschränkt. Thermografie kann somit in erster Linie oberflächennahe Fehlstellen darstellen, aber auch flächige Fehler wie Delaminationen oder das Fehlen von Faserlagen in Faserverbundbauteilen. Thermografiesysteme sind meist klein, robust, gut in Herstellungsprozesse integrierbar und je nach einzusetzender Technik verhältnismäßig kostengünstig.

Shearografie

Die Shearografie ist ein optisches Messverfahren und beruht auf der Messung der durch eine äußere Anregung hervorgerufenen und reversiblen Oberflächenverformung im Nano- bis Mikrometerbereich. Dies geschieht durch die messtechnische Erfassung von Laserstrahlen, die von der Prüfteiloberfläche reflektiert werden. Dabei wird das zu prüfende Bauteil durch aufgeweitete Laserstrahlen ausgeleuchtet, sodass auf der Oberfläche körnig flimmernde Lichtmuster, sogenannte Speckle, entstehen. Speckle sind etwa auch bei der genauen Betrachtung einer durch einen Laserpointer angestrahlten Fläche erkennbar. Eine geeignete Optik erzeugt hierbei zwei leicht zueinander verschobene Bilder, die auf einem CCD-Chip miteinander interferieren und dabei charakteristische Interferenzmuster erzeugen. Werden diese für zwei unterschiedliche, z. B. thermisch oder mechanisch angeregte Zustände des zu prüfenden Bauteils aufgenommen, so lassen sich durch die Bestimmung der anregungsbedingten Verformung Defekte und Materialfehler lokalisieren.

Die Shearografie bietet laterale Auflösungen im Mikrometer-Bereich und kann Tiefeninformationen bis zu einigen Zentimetern erlangen.  Ein einseitiger Probenzugang ist bei der shearografischen Prüfung ausreichend.

Röntgenverfahren

Bei der aus vielen Bereichen bekannten Röntgentechnik wird die Abschwächung der Röntgenstrahlen durch ein zwischen Strahlungsquelle und Detektor lokalisiertes Bauteil ermittelt. Hervorzuheben ist dabei die besonders hohe Auflösung bis in den nm-Bereich. Es lassen sich zahlreiche Fehlertypen wie etwa Fremdmaterialeinschlüsse, Materialinhomogenitäten oder Faserorientierungen hinsichtlich Größe, Form und Lage charakterisieren. Das Ergebnis stellt bei der Röntgen-Durchstrahlungsprüfung ein zweidimensionales Abbild des Objekts oder bei der Röntgen-Computertomografie ein dreidimensionales Bild dar. Im letzteren Fall können beliebige Schnittansichten erzeugt werden und quantitative Messungen z. B. des Defektvolumens vorgenommen werden. Damit gehören Röntgenverfahren zu den Methoden, die die anschaulichsten und am höchsten aufgelösten Ergebnisbilder generieren. Nachteilig sind ist je nach Auflösung und Größe des zu untersuchenden Bauteils der hohe Zeit- und Kostenaufwand sowie der bezüglich der ionisierenden und damit gesundheitsgefährdenden Strahlung notwendige Sicherheitsvorkehrungen. Letztlich ist immer auch ein mehrseitiger Probenzugang erforderlich, was auch zu einer nur schwer realisierbaren Inlinefähigkeit führt.

Punktuell bzw. rasternd messende Verfahren

Ultraschallverfahren

Ultraschall (US) basiert auf der Ausbreitung von akustischen Wellen jenseits des menschlichen Hörbereichs. Es stehen derzeit sowohl Systeme zur Verfügung, die auf ein zumeist gelartiges Ankoppelmedium wie z. B. Glyzerin oder auch Wasser an den Prüfkörper angewiesen sind, als auch luftgekoppelte und gänzlich berührungslos arbeitende Systeme. Weiterhin sind Prüfungen sowohl in Reflexions- als auch Transmissionsanordnungen möglich, wodurch ein für die Prüfung einseitiger Bauteilzugang ausreichen sein kann. An Grenzflächen zweier Materialien oder an innenliegenden Inhomogenitäten wie Fehlstellen werden die US-Wellen teilweise reflektiert, transmittiert, absorbiert, gebeugt und gestreut. Durch die somit veränderte Zeit, die die US-Welle benötigt, um das Material zu durchlaufen sowie durch die abgeschwächte Amplitude lassen sich diverse Fehlstellen auch in großen Tiefenlagen detektieren.

Insbesondere an homogenen Prüfkörpern lässt sich die US-Technik gut anwenden, da komplexe Geometrien zu vermehrten Reflexions- und Beugungseffekten führen, die eine Ergebnisinterpretation erschweren. US-Systeme zeichnen sich durch einen hohen Grad an Mobilität und bedingt durch das lange Bestehen des Prüfverfahrens sehr ausgereifte und vielfältige Signalverarbeitungsalgorithmen aus. Dabei können Auflösungen bis in den Mikrometerbereich erzielt werden, um kleinste Fehlstellen zu identifizieren und dünne Schichtdicken messtechnisch zu erfassen.

Mikrowellen- und Terahertz-Verfahren

Methoden, die sog. Mikrowellen oder Terahertz-Strahlen verwenden, unterscheiden sich im Frequenzbereich der eingesetzten Strahlung sowie in deren Erzeugung, weisen aber hinsichtlich der physikalischen Eigenschaften und der Fehlererkennungsmöglichkeiten viele Gemeinsamkeiten auf. Mikrowellen- und Terahertzstrahlung kann unpolare und nicht-leitfähige Materialien wie viele Kunststoffe gut durchdringen, wodurch auch sehr dicke Bauteile auf Fehlstellen geprüft werden können. An Grenzflächen von Materialien unterschiedlicher dielektrischer Eigenschaften und damit vorrangig Dichten wird die Strahlung reflektiert. Hierdurch ergeben sich die Möglichkeiten zur Detektion von Fehlern wie Fremdmaterialeinschlüssen aber auch zur Messung von Schicht- und Wanddicken bis in den einstelligen Mikrometerbereich oder zur Bestimmung von Feuchtigkeits-. und Füllstoffgehalten von Kunststoffen. Auflösungen liegen abhängig von der eingesetzten Wellenlänge im sub-mm bis cm-Bereich.

Beide Verfahren sind in der Bauteilprüfung bisher wenig etabliert, aber bieten im Vergleich zur Ultraschalltechnik oftmals größere Eindringtiefen und eine berührungslose Arbeitsweise, weshalb sie mehr und mehr kommerzialisiert werden.

 

Für Fragestellungen rund um die zerstörungsfreie Prüfung von Kunststofferzeugnissen ist das Kunststoff-Zentrum SKZ eine zu empfehlende Anlaufstelle. Es ist neben der Durchführung von Forschungsprojekten beratend und entwickelnd tätig. Damit bietet es eine breite Expertise, die u. a. die aufgeführten Prüfmethoden umfasst. Sowohl die Auswahl des Prüfverfahrens anhand zur Verfügung gestellten Gut- und Schlechtteile, als auch die Datenverarbeitung, Ergebnisinterpretation und letztlich Systemintegration beim Kunden vor Ort kommen so aus einer Hand, die sowohl ein Verständnis für die Prüftechnik als auch die Kunststoffanwendung mit sich bringt.

Die Deutsche Gesellschaft für Qualität (DGQ) und das Kunststoff-Zentrum SKZ kooperieren im Bereich Weiterbildung, um mit der Kombination aus Kunststofffachwissen und Managementsystem-Know-how auch neue Impulse für Innovationen zu schaffen.

Sie haben Fragen?

Giovanni Schober
Gruppenleiter Zerstörungsfreie Prüfung (ZfP) am SKZ
E-Mail: G.Schober@skz.de
Telefon: +49 931 4104-464