QM im Gesundheitswesen – nicht für alle Sektoren gleich12 | 12 | 19

Wer davon ausgeht, dass ein QM-System für alle Einrichtungen im Gesundheitswesen „gleich“ ist, wird schnell eines Besseren belehrt. Die Regeln, Vorgaben und Herangehensweisen unterscheiden sich nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb einzelner Professionen. Auch in den Weiterbildungen der DGQ fällt es den Teilnehmenden nicht immer leicht, den Sinn eines ISO 9001er QM-Systems zu erkennen, wenn andere Maßgaben in ihrem Bereich eine größere Rolle zu spielen scheinen. Die einen versuchen den Spielraum von ISO 9001 zu nutzen und auszugestalten, die anderen schreckt dieser Spielraum eher ab. Aber warum gibt es diesen überhaupt?

Verschiedene Sektoren, unterschiedliche Gesetze, viele Akteure. Sie ahnen es, die Branchenspezifik des Gesundheitswesens ist komplex. Dabei handelt es sich um einen wichtigen Wirtschaftsbereich mit einer geschätzten Wertschöpfung von jährlich 370 Mrd. Euro (BGM, 2018). Wir sind alle darauf angewiesen, dass die medizinische Versorgung, aber auch Pflege und andere Gesundheitsdienste funktionieren und somit die gesundheitliche Versorgung gesichert ist. Die Steuerung und Organisation dieses Versorgungsauftrags führt immer wieder zu politischen Diskussionen.

Die Zielgruppe, die sich mit QM im Gesundheitswesen befasst, ist komplex und die Bedürfnisse und Erwartungen unterschiedlich. Kein Wunder! Die verschiedenen Professionen und Berufsgruppen unterliegen unterschiedlichen Sozialgesetzen und verschiedenen Rahmenbedingungen für die Umsetzung eines QM-Systems.

Seit 2005 müssen alle nach dem fünften Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenen Krankenhäuser ein internes QM-System einführen und aufrechterhalten. Immer häufiger tendieren Kliniken dazu, ein QM-System nach ISO 9001 einzuführen. Damit rücken Themen wie Patientensicherheit, Verantwortung, Prozessorientierung, Fehlervermeidung, aber auch Mitarbeiterorientierung und Kommunikation in den Vordergrund. Das hat auch strategische Gründe. Nicht nur kann ein QM-System die Effizienz steigern, es kann auch zu mehr Patientensicherheit und Mitarbeiterzufriedenheit beitragen. Auch müssen Krankenhäuser ein Image pflegen, denn sie unterliegen nicht nur dem medizinischen, sondern auch dem marktwirtschaftlichen Wettbewerb. Qualität in Krankenhäusern wird durch den Fachbereich Medizin dominiert. Pflege stellt dort zwar die größte Berufsgruppe dar und ist maßgeblich am Versorgungsprozess beteiligt – eine gesetzlich geregelte Qualitätssicherung im Sinne der Prüfung von Pflegemaßnahmen gibt es im klinischen Bereich aber nicht. Neben der Pflege gibt es – abhängig vom Schwerpunkt der Einrichtung – auch noch eine Reihe anderer Professionen, die am Versorgungsprozess beteiligt sind. Sie ordnen sich wie die Pflege in das medizinische Qualitätsmanagementsystem ein.

Anders verhält es sich in der Langzeitpflege, also in Pflegeheimen, Sozialstationen und vielen teilstationären Pflegeeinrichtungen. Für diese Bereiche sind die Anforderungen an Qualität im SGB XI festgelegt. In Deutschland verfügt daher auch jede Pflegeeinrichtung über eine „Pflegenote“, die sie in dem sogenannten „Pflege-TÜV“ durch den MDK erhält. Die gesetzlichen Anforderungen haben auf Bundesebene zu umfangreichen Prüfverfahren und Standardisierungen geführt, die zusätzlich noch auf Länderebene in Heimgesetzen reglementiert werden. Die Erfüllung dieser Vorgaben ist für die Einrichtungen mit hohem Aufwand verbunden. Für weitergehende qualitätssichernde Maßnahmen fehlen da häufig die Ressourcen. Außerdem hat sich durch die gesetzliche Reglementierung und die Pflegenoten der Stellenwert der Qualität verändert: Es wurden bisher eher Ressourcen für das Bestehen der Kontrollen durch den MDK bereitgestellt, als für eine ISO-Zertifizierung. Spätestens seit Kunden aufgrund des Pflegenotstands froh sein können, überhaupt noch einen Pflegeplatz zu bekommen, scheint das Thema Zertifizierung für viele Einrichtungen keine Rolle mehr zu spielen.

Ob Gesundheits-Einrichtungen eine ISO-Zertifizierung anstreben, hängt also stark vom jeweiligen Sektor und den Rahmenbedingungen ab. Die Sozialgesetzbücher bilden dabei eine gedachte Grenze zwischen den Systemen. Im Bereich des SGB XI, das ist die Alten- und Langzeitpflege, hat darüber hinaus über die Jahre eine Überregulierung in der Qualitätssicherung stattgefunden. Mit der Einführung der überarbeiteten Qualitätsbeurteilung in der stationären Altenhilfe im Herbst 2019 und einer stärkeren Ausrichtung auf die Ergebnisqualität wird zum Teil auf diese Fehlentwicklungen reagiert. Es bleibt abzuwarten, ob mit diesem Schritt auch die ISO-Zertifizierung einen anderen Stellenwert erlangt.

Diesen Blogbeitrag hat Anna Schramowski zusammen mit Holger Dudel verfasst. Holger Dudel arbeitet für die DGQ als Fachreferent Pflege.

Über die Autorin: Anna Schramowski

Anna Schramowski ist studierte Politikwissenschaftlerin und Produktmanagerin bei der DGQ. Sie verantwortet u.a. die Trainings in den Bereichen Gesundheits-und Sozialwesen, Medizinprodukte und Labormanagement. Besonders wichtig ist ihr eine vielfältige, abwechslungsreiche und motivierende Weiterbildung mit viel Praxisbezug. Qualität bedeutet für sie vor allem Zusammenarbeit und Mitgestaltung.

3 Kommentare bei “QM im Gesundheitswesen – nicht für alle Sektoren gleich”

  1. ee8a0337da4f4849d484d380704846f5 Hanna Adams sagt:

    Vielen Dank für den Beitrag zur Qualitätssicherung im Gesundheitswesen. Mein Onkel ist Altenpfleger und muss sich in das LIMS System einarbeiten. Gut zu wissen, dass es in der Vergangenheit zu einer Überregulierung in der Qualitätssicherung kam.

  2. Gut zu wissen, dass die Zielgruppe, die sich mit QM im Gesundheitswesen befasst, komplex ist und die Bedürfnisse und Erwartungen unterschiedlich sind. Mein Onkel möchte sich im Bereich des Qualitätsmanagements ausbilden lassen. Er stimmt zu, dass dieses viele unterschiedliche Bedürfnisse und Erwartungen decken soll.

  3. 0967d0501c3618edd9045e1ffcf5706c Gustav H. sagt:

    Schöner Artikel.Abseits von der gesetzlichen Pflicht bietet Qualitätsmanagement Software ohnehin viele Vorteile!
    Grüße

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