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VDA Band 2:2020 – Gut Ding braucht Weile

Automotive

Mit erheblicher Verzögerung ist Ende Mai 2020 die lange angekündigte sechste überarbeitete Auflage des VDA Band 2 – Produktionsprozess- und Produktfreigabe (PPF) als „Rotband“ erschienen.

Das im VDA Band 2 beschriebene Verfahren zur Produktionsprozess- und Produktfreigabe gehört zu den wichtigsten kundenspezifischen Anforderungen der deutschen Automobilhersteller und deren Zulieferer und verfügt über eine hohe vertragsrechtliche Relevanz in der gesamten Lieferkette.
Die konforme Umsetzung des im VDA Band 2 beschriebenen Prozesses zur Produktionsprozess- und Produktfreigabe ist ein wesentlicher Baustein zur Minimierung der Haftungsrisiken im Rahmen des strategischen Risikomanagements – unabhängig von der Art der QM-Zertifizierung des Lieferanten.

Die sechste überarbeitete Auflage vom April 2020 des VDA Band 2 unterstützt die konforme Anwendung des PPF-Verfahrens.

VDA Band 2:2020

Das im VDA Band 2 beschriebene PPF-Verfahren zielt auf eine vollumfängliche Freigabe (intern und vom Kunden) eines Produktes ab, inklusive des zugehörigen Produktionsprozesses zur Serienproduktion, rechtzeitig vor dem „heiligen“ SOP (Start of Production)-Termin.

Der Startpunkt des PPF-Verfahrens liegt in der Angebotsphase. Hier muss im Rahmen der Machbarkeitsanalyse bereits die kundenspezifische Vorgabe zur Erstbemusterung (PPF oder PPAP) auf Machbarkeit überprüft und ggf. Projektspezifisch angepasst, angeboten werden.

Nach Vertragsabschluss bzw. Auftragserteilung – also weit vor SOP – vereinbaren die Vertrags-parteien die detaillierte, projektspezifische Vorgehensweise zur Produktionsprozess- und Produkt-freigabe. Die Verantwortung dafür, eine solche Vereinbarung frühzeitig herbeizuführen, liegt beim Lieferanten!

Die Neuerungen der 6. Auflage aus April (bzw. Mai) 2020

Beim Vergleich des Inhaltsverzeichnisses der Vorgängerversion (2012) mit der neuen aktuellen Auflage (2020) des VDA 2 zeigt sich eine Veränderung in der Anzahl der Kapitel. Aus den ehemals zehn Kapiteln des kleinen aber feinen Bandes, die weitgehend ihre Überschrift/Titel behalten haben, sind nun in der neuen Ausgabe zwölf Kapitel geworden. Wobei aus dem ehemaligen Unterkapitel 6.5 nun Kapitel 7 „Sonderabläufe“ (zeitlich gestufte, Varianten- und Kleinserien-Freigabe) wurde und mit Kapitel 10 das Thema „Requalifikation“ neu in den VDA Band 2 aufgenommen wurde.

Unter der Überschrift „Requalifikation“ findet sich der Hinweis, dass Frequenz, Art und Umfang zwischen Organisation und Kunden im Rahmen der Abstimmung des PPF-Verfahrens zu vereinbaren sind. Dies erweitert die Anforderung der IATF 16949 im Abschnitt 8.6.2 Requalifikationsprüfung.

Zum besseren Verständnis und der vereinfachten Umsetzung des durchaus komplexen, heraus-fordernden PPF-Verfahrens wurden die 4 Vorlagestufen (0, 1, 2 und 3) gestrichen. Stattdessen wird im Zuge der „Abstimmung zum PPF-Verfahren“ (Kapitel 5) individuell, d.h. projektspezifisch, vereinbart und formell dokumentiert, welche Daten, Dokumente und Musterteile wann im Projektverlauf (RGA bzw. APQP) und in welcher Form dem Kunden vorzulegen sind. Dazu ist von der Organisation (Lieferant) die Anlage 2 „Abstimmung zum PPF-Verfahren“ zu verwenden.
Diese bedeutende Neuerung der 6. Auflage des VDA Band 2 unterstreicht die Forderung nach aktiver Übernahme der Verantwortung der Organisation (Lieferant) für die Abstimmung des PPF-Verfahrens sowie dessen vereinbarungs-konforme Umsetzung.
Neben dem schon oben angesprochenen Thema Requalifikationsprüfung gibt es vier weitere neue Inhalte des PPF-Verfahrens, die im Rahmen der Abstimmung zu vereinbaren und dokumentieren sind: Nachweise zur Software, Umgang mit Abweichungen, Prozess zur Schadteilanalyse sowie Reklamationsbearbeitung. Der VDA Band 2 verweist in der 6. Auflage hierzu auf den jeweils mitgeltenden VDA Band. Hiermit schließt sich der (Regel-)Kreis zu den übergeordneten Regelwerken VDA 6.3 und IATF 16949, die entsprechende Anforderungen zu diesen Themen beinhalten, und hebt den neuen VDA Band 2 auf den aktuellen Stand der Technik.

Es gibt noch eine weitere besonders erwähnenswerte Neuerung im VDA Band 2:2020. An prominenter Stelle im Kapitel 1.2 „Ziel des PPF-Verfahrens“ und doch leicht zu überlesen: die nachweisliche Erfüllung der gesetzlichen, behördlichen und zulassungsrelevanten Anforderungen.
Im Band werden hier beispielhaft EU-Richtlinien, CE-Kennzeichnung und Typgenehmigungsverfahren genannt. Konkret finden sich diese Anforderungen in der Tabelle der PPF-Nachweise unter den Nummern: 3.11 Beständigkeit gegenüber Electrostatic Discharge (ESD), 3.12 Elektrische Sicherheit/ Hochvolt-Sicherheit und 3.13 Elektromagnetische Sicherheit (EMV).
Die zugehörigen Richtlinien bzw. Normen finden sich im Kapitel 11 „Begriffe“ unter den jeweiligen Definitionen der Begriffe bzw. deren Abkürzungen, wie ESD oder EMV.
Das heißt zu den mitgeltenden Vorgabedokumenten gehören neben den einschlägigen VDA Bänden auch die angezogenen Gesetze, Verordnungen und Normen.

Mit Ihrer Unterschrift auf dem Deckblatt des PPF-Berichts und der PPF-Bewertung (VDA Band 2, Anlage 4) bestätigen Sie die konforme Umsetzung und Erfüllung aller –  also auch der gesetzlichen und behördlichen – im PPF vereinbarten Anforderungen mit Ihrem Namen.

Im Kapitel 12 „Anlagen und Downloads“ (ehem. Kap. 10) – die Anlagen machen bezogen auf die Seitenzahlen mehr als die Hälfte des Bandes aus – finden sich einige Neuerungen, die die Zielsetzung des VDA Band 2, nämlich die Intensivierung der Kommunikation zwischen liefernder Organisation und Kunde zur Vereinbarung und konformen Umsetzung des PPF-Verfahrens, unterstreichen und unterstützen.

  • Abstimmung zum PPF-Verfahren (in diesem Dokument wird das Ergebnis der Vereinbarung über Umfang, Inhalt und Zeitplan des projektspezifischen PPF-Verfahrens im Detail dokumentiert)
  • Tabelle „Hinweise zur PPF-Nachweisführung“
  • Teilelebenslauf
  • Deckblatt PPF Software

Was ist unverändert in der 6. Auflage

Es wäre fahrlässig an dieser Stelle die bewährten, alt bekannten Inhalte des VDA Band 2 nicht anzusprechen.
Dazu gehört in erster Linie der Auslöser des PPF-Verfahrens (Kapitel 3) mit der zugehörigen Auslösematrix (Anlage 8), die auch in dieser Auflage unverändert Gültigkeit haben.
Die Auslösematrix definiert, für welche Änderungen an Produkt und/oder Produktionsprozess der Kunde zu informieren ist – bevor die Organisation (Lieferant) eine Änderung implementiert. Nur wenn der Kunde dieser geplanten Prozess-/Produkt-Änderung schriftlich dokumentiert zugestimmt hat, darf die Organisation die Änderung umsetzen – natürlich erst nach Abstimmung des PPF-Verfahrens für diese Änderung.

Pflichten der Anwender – notwendige nächste Schritte

Wenn für Ihre Organisation das PPF-Verfahren nach VDA Band 2 zu den relevanten kundenspezifischen Anforderungen gehört, sind folgende Schritte zu tun:

  • Beschaffen Sie sich die 6. Auflage des VDA Band 2
  • Machen Sie sich mit den Inhalten – vor allem den Neuerungen – vertraut
  • Informieren Sie alle vom PPF-Verfahren betroffenen Prozesseigner (vom PPF sind alle kundenorientierten Prozesse betroffen)
  • Passen Sie Ihre betroffenen Prozesse und deren Prozessbeschreibungen inklusive der mitgeltenden Unterlagen entsprechend an
  • Organisieren Sie gemeinsam mit den Prozesseignern Schulungen für alle betroffenen Mitarbeiter
  • Ab sofort muss für alle neuen Projekte, sowie – je nach Vertragslage – für alle Änderungen (Produkt und Prozess), das PPF-Verfahren des neuen VDA Band 2 angewendet werden

Über die Autorin:

Tanja Wälzholz ist seit 2006 selbstständige Unternehmensberaterin vorwiegend in den Bereichen Automotive, Dienstleistung und Hochschulen.
Sie ist zertifizierte IATF/VDA Trainerin und Prüferin für 3rd Party Auditoren sowie Hochschuldozentin für integrierte Managementsysteme und Projektmanagement.
Für die DGQ ist sie im Einsatz als Trainerin im Bereich Automotive und Mitglied des ZBR.  Neben Tätigkeiten wie Geschäftsführerin, Leitung globaler Restrukturierungsprojekte, Managementbeauftragte und Leitung Kalibrierlabor war sie DQS-Auditorin für Automotive Regelwerke.

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