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26. Mai 2020

Die DGQ in Zeiten der Krise – voranschreitende Digitalisierung und ein sicherer Hafen

Die Corona-Pandemie macht auch vor der DGQ nicht halt. Doch wie reagiert die zentrale deutsche Qualitätsgesellschaft? Welche Maßnahmen treffen unterschiedliche Bereiche der DGQ wie Verein, Weiterbildung und FQS, um sich krisenfest aufzustellen und für Mitglieder, Kunden und Qualitätsinteressierte auch in Zeiten des Kontaktverbots attraktive Angebote zu schaffen? Im Doppelinterview stellen sich Claudia Welker, geschäftsführendes Vorstandsmitglied, und Dr. Antje Becker, seit Mitte Januar Geschäftsführerin für den Verein, diesen und weiteren Fragen.

Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf die DGQ?

Claudia Welker: Uns geht es nicht anders als den meisten anderen Organisationen. Die Corona-Krise hat erhebliche Auswirkungen auf die DGQ. Dabei macht es keinen Unterschied, ob wir auf diese Situation aus der Perspektive eines Vereins, eines Weiterbildungsanbieters oder einer Forschungsgemeinschaft blicken. Letztlich handelt es sich hier immer um ein „people’s business“, das zunächst einmal auf einen direkten persönlichen Austausch ausgelegt ist. Hier mussten wir schnell neue Wege finden, um nicht lediglich Notlösungen zu schaffen, sondern zukunftsfähige Alternativen zu bieten.

Dr. Antje Becker: Für die gesamte DGQ mit ihrem Netzwerk ist die Corona-Krise natürlich eine sehr große Herausforderung. Ein Verein ist eine Art soziales Netzwerk, das, zumindest bislang, von der Präsenz und Anwesenheit der Beteiligten lebte. Nicht umsonst ist die DGQ mit bundesweit fünf Geschäftsstellen und über 60 Regionalkreisen in der Fläche sehr präsent. Diese Regionalität ist uns sehr wichtig, weil sich damit mehr Möglichkeiten für einen persönlichen Austausch schaffen lassen. Dieses Prinzip wird aktuell auf eine harte Probe gestellt. Wir haben als Verein neue Formate gefunden, um diesen Umstand auszugleichen. Eines ist doch ganz klar: Gerade in einer solchen Krise kann der Verein ein verlässlicher Hafen sein, den man – zumindest digital – jederzeit anlaufen kann. Und tatsächlich stellen wir fest: auch digital macht Freude! Und nicht nur das, es bringt eine Reihe Vorteile mit sich.

Frau Dr. Becker, Sie sind erst im Januar als Geschäftsführerin des Vereins zur DGQ gestoßen und wenig später ging es mit der Corona-Pandemie los. Das war sicherlich ein recht spezieller Start?

Dr. Antje Becker: Das waren in der Tat schon sehr besondere Umstände. Natürlich war und ist das auch mit gewissen Herausforderungen verbunden. Aber Krisen wirken immer wie ein Vergrößerungsglas und sie können bei allen negativen Begleiterscheinungen auch helfen, Menschen noch mehr zusammen zu schweißen. Ebenso schätze ich die Dynamik, die Geschwindigkeit und die steigende Bereitschaft, Neues auszuprobieren. Diesbezüglich bin ich sehr beeindruckt von allen Beteiligten hier in der DGQ. Wenn es gelingt, eine Krise gut zu meistern, ist in der Regel am Ende auch Einiges gewonnen. Leider bedeutet die Krise auch, dass ich noch nicht so viele Mitglieder und Ehrenamtliche kennenlernen konnte, wie ich es mir wünsche. Aber ich habe dafür schnell erfahren, wie die Organisation mit ihrem Netzwerk tickt. Was mir dabei besonders aufgefallen ist: das große Engagement! Viele Mitglieder – hier vor allem Ehrenamtliche – waren sehr offen, haben selbst Impulse gegeben oder sich bei der Organisation alternativer, digitaler Formate stark eingebracht. Das zeigt mir, dass die DGQ als Verein eine starke Basis hat, die für eine aktive Mitgliedschaft steht. In solchen Zeiten wird dies noch einmal besonders deutlich. Und den Punkt „persönliches Kennenlernen“ holen wir ganz schnell nach!

Was bedeutet die Krise für das Qualitätswesen? Ist es aus Ihrer Sicht nicht denkbar, dass sich Firmen jetzt einfach darauf konzentrieren, irgendwie zu überleben?

Dr. Antje Becker: Ich bin überzeugt, gerade in der Krise kann das Qualitätsmanagement
entscheidend dazu beitragen, dass Organisationen durch diese unsicheren Zeiten kommen. Sicher müssen viele Unternehmen derzeit ihre Prozesse, Produkte und auch das gesamte Geschäftsmodell überprüfen und teilweise tiefgreifend verändern, aber auch hierbei kann das Qualitätsmanagement unterstützen und frühzeitig die erforderliche Nachhaltigkeit der Entwicklung sicherstellen.

Claudia Welker: Eines vorweg: Alle Funktionen des Qualitätswesens müssen sich in dieser Krise hinterfragen und prüfen, was sich ändern darf und muss. Grundsätzlich sorgt beispielsweise das Qualitätsmanagement für Wiederholbarkeit, Ressourceneffizienz und Fehlerminimierung und stellt vor allem die Erfüllung von Kundenanforderungen sicher. Dies sollten wir auch in der Krise nicht vergessen. Die Covid-19-Krise zeigt uns auch die Bedeutung von Managementsystemen wie Business-Continuity-, Risiko- und Supply Chain Management, die in allen Organisationen sicherlich einen größeren Stellenwert einnehmen werden.
Keine Frage, die Veränderungsgeschwindigkeit hat sich in den letzten Wochen und Monaten dramatisch erhöht, uns in die Digitalisierung geradezu gezwungen, aber auch die Selbstreflektion auf die manchmal vernachlässigten Systeme eines modernen Qualitätswesens kann ein guter Kompass für die Zukunft sein.

Verändert die Corona-Pandemie das Qualitätsbewusstsein oder hilft das Qualitätswesen den Unternehmen dabei, besser in der Corona-Pandemie zu bestehen?

Claudia Welker: Die Antwort muss sicherlich lauten: ein bisschen von Beidem! Dies spiegelt sich auch in dem erweiterten und teilweise vollkommen neuen Digitalangebot der DGQ wider. So bieten wir mittlerweile zahlreiche unserer wichtigsten Veranstaltungen in der Online-Variante als E-Training an. Auch Prüfungen wird es als Online-Variante geben. Diese Bereicherung unseres Angebotsspektrums wird es dauerhaft geben. Unsere Lessons Learned: Online ist eine Bereicherung, aber soziale Interaktion, Kommunikation mit allen Sinnen und das miteinander- und voneinander Lernen mit dem Ziel der Wissenstransfersicherung, ist das Asset von Präsenzveranstaltungen.

Dr. Antje Becker. Und gleichzeitig ist eben auch die andere Perspektive richtig: Qualitätsmanagement kann den Unternehmen dabei helfen, in der Krise zu bestehen. Es ist gerade jetzt und auch schon für die Zeit nach der Corona-Pandemie sinnvoll und notwendig, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Qualitätsmanagement zu qualifizieren. Ebenfalls aus diesem Grund öffnet die DGQ ihr Netzwerk und bietet Unternehmen beispielsweise bis Jahresende eine kostenlose, dreimonatige Firmenmitgliedschaft an.

Ist es mit einer Rückbesinnung auf das klassische Qualitätsmanagement schon getan?

Dr. Antje Becker: Das klassische Qualitätsmanagement bleibt ein wichtiges Fundament für den Unternehmenserfolg. Selbstverständlich muss es sich aber auch weiterentwickeln. Dies gilt ja nicht erst in der aktuellen Corona-Pandemie. Dadurch erhöht sich lediglich der Veränderungsdruck, der bislang eher schleichend war und nicht oder zumindest nicht als schmerzhaft wahrgenommen wurde. Die DGQ behält als Fachgesellschaft natürlich kontinuierlich wichtige gesellschaftliche Strömungen und wirtschaftliche Entwicklungen im Blick und prüft mögliche Auswirkungen, beziehungsweise das Potenzial für das Qualitätsmanagement. Dies gilt beispielsweise für Themen wie „Anders auditieren“ oder „Agiles Qualitätsmanagement“ oder gerade besonders aktuell: „Die Digitalisierung“. Das Thema hat für uns zwei Dimensionen, inhaltlich die Digitalisierung in Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement und strukturell die Weiterentwicklung der Digitalisierung der DQQ, um besser und vielseitiger mit unseren Mitgliedern zusammenzuarbeiten.

Claudia Welker: Die DGQ diskutiert mit der Q-Community seit mehr als zwei Jahren über die Notwendigkeit der Modernisierung des „klassischen QM“. Organisationen müssen stärker die Balance zwischen stabilen Leistungsprozessen und immer flexibleren Entwicklungen und Anpassungen an geänderte Rahmenbedingungen schaffen. Das galt auch schon vor Covid-19. Aus der Frage „Tanker oder Schnellboot?“ wird das Erfordernis „Schnelltanker“. Diese Anforderungen müssen auch moderne Qualitätskonzepte abbilden. Ein Beispiel ist hierfür das neue EFQM-Modell 2020. Die DGQ ist eine der weltweiten Partnerorganisationen der EFQM, denn das Modell eignet sich sehr gut als Impulsgeber für alle Organisationen, die sich in volatilen Zeiten gut aufstellen müssen, um auch in der nächsten Krise zu bestehen.

Wie ist die DGQ genau dabei vorgegangen, um angemessen auf die Krise zu reagieren?

Dr. Antje Becker: Es war schnell klar, dass eine Digitalisierung des Angebots erforderlich sein würde. Dies galt für alle Leistungen der DGQ. Daher war sofort klar, dass wir hier am erfolgreichsten sind, wenn wir als gesamte DGQ übergreifend zusammenarbeiten und auch unser Netzwerk aus Mitgliedern und Trainern einbeziehen. Denn dieses Netzwerk ist unser großes Asset, durch das wir schnell reagieren können.

Claudia Welker: Natürlich lag eine steile Lernkurve vor uns, denn es geht ums „Tun“ – Dinge anders zu denken und auch umzusetzen, anstatt auf die perfekte Lösung zu hoffen. Kommunikation und Handeln in Unsicherheit und möglicherweise keine Antworten auf Fragen zu haben, ist die größte Herausforderung in dieser Zeit. Unsere Kunden mitzunehmen, zielgruppenspezifische Angebote zu schaffen und dies mit höchster Geschwindigkeit ohne unseren Qualitätsanspruch außer Acht zu lassen, fordert alle, manchmal bis zur Erschöpfung. Covid-19 ist die Herausforderung unserer gesamten Organisation und wir lernen miteinander und voneinander in einer der schwierigsten wirtschaftlichen Lagen. Keiner kann dabei auf Erfahrungen aus der Vergangenheit setzen, denn eine solche Krise hat niemand von uns je erlebt. Die ersten erfolgreichen Maßnahmen zeigen mir aber, dass wir auf einem guten Weg sind.

Dann war die Corona-Pandemie der wesentliche Treiber der Digitalisierung der DGQ?

Claudia Welker: Diese Sichtweise wäre zu einseitig. Mit dem Thema Digitalisierung haben wir uns in der DGQ schon vorher intensiv auseinandergesetzt. Es gab auch bereits vielzählige digitale Formate wie E-Learnings, Webinare, E-Tutorials, Erklärvideos und vieles mehr. Diese Angebote waren allerdings eher Anreicherungen unseres Portfolios, weniger eigenständige Geschäftsmodelle. Die Covid-19-Pandemie ist ein Beschleuniger dieser Entwicklung.

Spielt es dabei eine Rolle, dass die DGQ die „Digitalisierung“ als eines ihrer Zukunftsthemen definiert hat? Und was bedeutet das konkret?

Dr. Antje Becker: Das ist richtig. Als DGQ haben wir „Digitalisierung“ für uns als eines der gesellschaftsrelevanten Themen definiert, die wir besetzen wollen, gerade weil die Brücke zur Qualität so offensichtlich ist – ganz im Sinne des eben genannten modernen Qualitätsmanagements. Als ganz konkrete Maßnahmen haben wir das Kompetenzmodell Digitalisierung für Personal im Qualitätsumfeld entwickelt. Wir wollen eine neutrale Plattform für den Austausch von Experten über bestimmte gesellschaftsrelevante Themen bieten und der mitunter auch sehr kontroversen Diskussion durch die Sichtweise der Qualität einen neuen Impuls geben. Dies schließt dann beim Thema „Digitalisierung“ natürlich auch die Notwendigkeit mit ein, sich selbst zu „digitalisieren“.

Was bietet die DGQ konkret neu an?

Claudia Welker: Eigenständige digitale Formate. Unsere Kunden haben die Wahl: Je nach Lernziel oder Lerntyp besteht die Möglichkeit, Präsenztrainings und Prüfungen oder auch Online-Veranstaltungen zu buchen. Zukünftige Entwicklungen wurden neu bewertet, denn Online kann Präsenz nicht in allen Fällen vollständig ersetzen. Präsenztrainings der Zukunft werden aber auch zukünftig anderen Aspekten der Kompetenzentwicklung dienen.
Jede Form hat ihre Vor- und Nachteile. Es hängt sehr stark von dem jeweiligen Lerntyp, den Lehr- und Lernzielen und der am besten geeigneten Didaktik ab. Unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben zukünftig eine größere Auswahl verschiedenster Angebote und können entsprechend ihrer persönlichen Präferenzen und den Anforderungen ihrer Arbeitgeber die beste Weiterbildungsmöglichkeit wählen. Dank des großen Engagements aller DGQ-Mitarbeiter, unserer Trainer und Prüfer, sehen wir uns für die Zukunft gut gerüstet.

Dr. Antje Becker: Es gibt jetzt deutlich mehr Webinare und Online-Workshops für Mitglieder. Die Geschäftsstellen sind auf die Regionalkreisleitungen und weitere mögliche Referentenkontakte zugegangen. Dabei sind sie auf eine große Offenheit und Bereitschaft gestoßen, Online-Alternativen für die herkömmlichen Regionalkreistreffen zu schaffen. Wir wollen möglichst viele Angebote für verschiedene Zielgruppen als digitale Version ermöglichen. Im Rahmen eines Webinars im April haben sich beispielsweise Vertreter aller vier QM-Youngsters-Gruppen vorgestellt. Und der Fachkreis QM/Organisationsentwicklung hat einen Hackathon durchgeführt, um einen Methodenkompass für Praktiker im Qualitätsmanagement zu erstellen.

Aber lassen sich so unterschiedliche Veranstaltungsformate wie Regionalkreis- und Fachkreistreffen in gleicher Qualität digital abbilden? Oder sind es nur Notlösungen für einen Übergang?

Dr. Antje Becker: Wenn ich durch die Vereinsbrille schaue, muss ich sagen, dass es nach wie vor zum Wesen des Vereins gehört, dass man sich in Präsenzveranstaltungen austauschen kann. Diese Form des Kontakts ermöglicht eben auch eine persönlichere Form des Miteinanders. Aber als kurzfristiger Ersatz und als langfristige, äußerst konstruktive und für alle ressourcenschonende Ergänzung, bieten digitale Formate tolle Möglichkeiten. Denken Sie beispielsweise nur an einen Regionalkreis in Bayern, der online einen Referenten in Norddeutschland begrüßen kann, der für eine solche Veranstaltung vielleicht nie nach Süddeutschland hätte reisen können oder wollen. Das Potenzial ist also riesig und zumindest Einiges davon möchten wir gerne auch nach der Pandemie nutzen.

Was ist noch geplant?

Dr. Antje Becker: Wir schauen ganz konkret, welche Angebote, Veranstaltungen und Formate sich noch sinnvoll in eine digitale Form überführen lassen. Es ist nicht zielführend, aus purem Aktionismus alles zu digitalisieren. Wir müssen hier genau schauen, welche Angebote von den Mitgliedern und Kunden tatsächlich gewünscht werden. Entsprechend werden wir unsere Aktivitäten priorisieren und unsere Ressourcen verteilen. Insofern ist uns Feedback wichtig. Ich bin überzeugt, dass die DGQ-Community dabei auch noch stärker vom Engagement unserer Mitglieder und Ehrenamtlichen profitieren kann. DGQ bedeutet eben auch von Praktikern für Praktiker und aus dem Netzwerk für das Netzwerk. Wir sind und bleiben offen für Impulse und Anmerkungen aus unserem Netzwerk und wir werden künftig die Inhalte und Forschungsergebnisse aus FQS-Forschungsprojekten besser in das gesamte Netzwerk der DGQ hineinbringen und vor allem wollen wir Forschungsideen aus dem Netzwerk der DGQ generieren. Damit bieten wir unseren Mitgliedern die Möglichkeit, deren konkrete Fragen und Bedarfe in Forschungsprojekte einzubringen.

Claudia Welker: Die Lessons Learned aus dieser Krise mitzunehmen und zu verstehen, dass es kein „weiter so“ wie vor Covid-19 geben wird, beeinflusst unsere zukünftigen Projekte. Und seien wir einmal ganz ehrlich: Teilweise sind wir hier derzeit in gewissem Sinne auch Lernende, unser Geschäftsmodell, die zukünftigen Anforderungen unserer Kunden und das organisatorische Miteinander aller Stakeholder betreffend. Aber ich denke, diese Einstellung aus Zuversicht und Neugier auf das Unbekannte und noch unsichere Neue ist genau richtig, um gut für die derzeitige Herausforderung, aber auch für die weitere Zukunft, gerüstet zu sein.