Kunden sind keine Könige – wir sollten sie und uns selbst ernster nehmen!24 | 01 | 18

Wenn ich so höre und sehe, wie manche Kunden zu Qualität stehen, dann muss ich mich doch wundern. Preise sollen minimal, Leistungen maximal sein. Das darf man ja wohl heutzutage verlangen. Und zwar mit dem Recht und der Macht des Königs, keinesfalls mit seinen Umgangsformen. Viele Produzenten und vor allem Dienstleister stehen einem großen Destruktionspotenzial des einzelnen Kunden gegenüber. Enttäuschte Kunden haben heute eine Macht, die weit über das „ich kauf nicht mehr bei dir“ und die Steigerungsform „ich sorge auch dafür, dass meine Freunde nicht mehr bei dir kaufen“ hinausgeht. Mittels der neuen Medien und der sozialen Netzwerke können enttäuschte Kunden mittlerweile eine Reichweite erzielen, die riskant für die unter Attacke stehenden Unternehmen ist. Der Shitstorm ist zum sprachlichen und funktionalen Symbol dieser Macht geworden. Nicht selten schlägt dabei die Form den Inhalt. Witzigkeit und Innovativität der gemachten Videos und Forenbeiträge schlagen die Richtigkeit der Aussagen oft bei weitem.

Und die Unternehmen selbst? Viele überbieten sich mit Versprechen an die Kunden und wecken oft Erwartungen, die sie realistisch gar nicht mehr erfüllen können. Einige simulieren Qualität, wo keine ist. Dort verzweifeln Mitarbeiter an der Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklich. Fehlende Ressourcen, widersprüchliche Vorgaben und die stillschweigende Verletzung laut propagierter Werte schaffen ein Setting, in dem die freundliche Erbringung der dem Kunden versprochenen Leistungen eher die Ausnahme, als die Regel ist. Auch hier gilt allzu oft, Witzigkeit und Innovativität der Werbung und Leitbilder schlagen die Richtigkeit der Aussagen bei weitem.

Auf die Kunden eingehen und sie ernst nehmen erfordert ein Minimum an Zeit und Kompetenz. Stellen Unternehmen diese Ressource systematisch nicht zur Verfügung, entstehen die oben beschriebenen Verhältnisse. Verspreche ich bisher mehr, als ich Ressourcen zur Erfüllung bereitstelle, muss ich entweder weniger versprechen oder mehr Ressourcen investieren, um Risiken zu verringern. Kunden merken letztlich doch, wenn das Unternehmen Qualität nur simuliert. Vor dem „viele Kunden glücklich machen“ steht das „weniger Kunden enttäuschen“. Denn die Enttäuschten sind für jeden Anbieter extrem gefährlich. Das sind übrigen auch die vom eigenen Unternehmen enttäuschten Mitarbeiter.

Eine Kunden-Lieferantenbeziehung ist eine Partnerwahl mit allen Konsequenzen. Man muss zueinander passen. Passt das Unternehmen nicht, wählt der Kunde einen Wettbewerber. Passt der Kunde nicht? Wollen die meisten Unternehmen dennoch verkaufen! Und genau das kann für das Unternehmen nachhaltig schädlich sein. Unternehmen müssen sich deshalb nicht nur Gedanken dazu machen, wer zu ihnen passt, wer ihre Zielgruppe ist; sie müssen auch entscheiden, wer nicht zu ihnen passt, wen sie nicht beliefern, nicht bedienen wollen.

Nehmen sie ihre Kunden ernst, seien sie fair und redlich und liefern sie, was sie versprechen. Und lassen Sie sich von ihren Kunden ernst nehmen. Sie, ihre Mitarbeiter und ihre Qualitätsprodukte verdienen wertschätzende Behandlung und faire Bezahlung. Dann braucht’s auch keine Könige, dann entstehen Partnerschaften auf Augenhöhe. Kunden und Unternehmen werden davon profitieren.

Über den Autor: Benedikt Sommerhoff

Benedikt Sommerhoff leitet bei der DGQ das Themenfeld Qualität & Innovation. Er beobachtet, analysiert und interpretiert die Paradigmenwechsel und Trends in Gesellschaft und Wirtschaft sowie ihre Wirkungen auf das Qualitätsmanagement. Seine zahlreichen Impulse in Form von Publikationen und inspirierenden Vorträgen geben Orientierung in Zeiten des Wandels. Sie ermutigen zur Neukonzeption des Qualitätsmanagements und der Qualitätssicherung. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten des DGQ-Netzwerks aus Praxis und Wissenschaft arbeitet Sommerhoff in Think Tanks und Pionierprojekten an der Entwicklung, Pilotierung und Vermittlung innovativer Konzepte und Methoden.

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